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Große Geister wie Shakespeare, Goethe, Schelling, Paracelsus haben unter Natur immer etwas anderes verstanden als die herkömmliche Naturwissenschaft. Sie wurde als großes Vorbild angesehen, dahin zurückzufinden man bestrebt war, daher Goethe auch bei seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten bekennt: „Warum ich zuletzt am liebsten mit der Natur verkehre, ist, weil sie immer recht hat und der Irrtum bloß auf meiner Seite sein kann. Verhandle ich hingegen mit Menschen, so irren sie, dann ich, auch sie wieder und immer fort, da kommt nichts aufs reine; weiß ich mich aber in die Natur zu schicken, so ist alles getan" (Nat. Schr. II, 288).
Das bekannte „Zurück zur Natur" geht also keinesfalls nur auf Rousseau zurück, obwohl dieser dafür sehr einprägsame Worte gefunden hat. Da wir Goethe und seine Ansichten zu Natur und Wissenschaft an anderer Stelle ausführlich behandeln (1), geben wir hier das Wort weiter an Rousseau - natürlich soll er in seiner Muttersprache reden, damit endlich einmal unsere französischen Freunde auf ihre Kosten kommen.
Ähnlich wie ARISTOTELES ist ihm aufgefallen, daß der Mensch kaum andere Übel kennt als die, welche er sich selbst bereitet: "L'homme n'a guère de maux que ceux qu'il s'est donnés lui-même" (2).
Er betrachtet das, was der Mensch bisher geleistet hat, z.B. die Flüsse, die er schiffbar gemacht hat, den Boden, den er urbar gemacht, die Seen, die er abgegraben und die Sümpfe, die er ausgetrocknet hat; er denkt nach über die wahren Vorteile, die aus alldem für das Glück der menschlichen Gattung hervorgegangen sind, und kommt zu dem Schluß, daß man nur erschüttert sein könne über das erstaunliche Mißverhältnis, das zwischen diesen Dingen herrsche; schließlich müsse man die Verblendung des Menschen beklagen, denn die wohlwollende Natur hätte ihm viel Mühe ersparen können, wenn er mit ihr kooperiert hätte.
"Quand, d'un côté, L'on considère les immenses traveaux des hommes, [...] des fleuves rendus navigable, des terres defrichées, des lacs creusés, des marais desséchés [...]; et que, de l'autre, on recherche avec un peu de méditation les vrais avantages qui ont résulté de tout cela pour le bonheur de l'espèce humaine; on ne peut qu'être frappé de l'étounante disproportion qui régne entre ces choses, et deplorer l'aveuglement de l'homme, qui, pour nourir son fol orgueil et je ne sais quelle vaine admiration de lui-même, le fait courir avec ardeur aprés toutes les misères dont il est susceptible, et que la bien faisante nature avoit pris soin d'écarter de lui" (3).
Inzwischen ist es klar geworden, daß sich die Natur die Verachtung ihrer Lehren teuer bezahlen läßt. Man denke an die Probleme der heutigen Landwirtschaft, und die infolge der Fehlernährung vermehrt auftretenden Zivilisationskrankheiten bzw. die Tatsache, daß wir jetzt die externen Kosten, die durch die Umweltzerstörung entstanden sind zu tragen haben, man denke an die Problematik der Arbeit usw.. ROUSSEAU hatte damals folgende Verhaltensweisen wider die Natur festgestellt: das Durcheiander der Speisen, ungesunde Würzen, verdorbene Lebensmittel, gefälschte Drogen, Betrügereien derer, die sie verkaufen, Gift an den Geschirren, in denen man sie herstellt, schlechte Luft bei Versammlungen von Menschenmengen und das dadurch hervorgerufene "Crowding-Symptom", und überhaupt die Art zu leben, welche eine Verzärtelung unserer Lebensweise zur Folge hat. Schließlich denkt er an all die Sorgen, die unsere überfeinerte Empfindlichkeit in notwendige Gewohnheiten verwandelt hat, deren Vernachlässigung oder Fehlen uns alsbald das Leben oder die Gesundheit kostet...
"Si vous considerez les peines d'esprit qui nous consument, les passions violentes qui nous épuisent et nous désolent, les traveaux excessifs dont les pauvres sont surchargés, la molesse encore plus dangereuse à laquelle les riches s'abandonnent, et qui font mourir les uns de leurs besoins et les autres de leurs excés. Si vous songez aux monstrueux mêlanges des aliments, à leurs pernicieux assaisonements, aux denrées corrumpues, aux drogues falsifiées, aux friponneries de ceux qui les vendant, aux erreurs de ceux qui les administrent, au poison des vaisseaux dans lequels on les prépare; si vous faites attention aux maladies épidemiques engendrées par le mauvais air parmi des multitudes d'hommes rassemblés, à celles qu'occasionnement la delicatesse de nôtre manière de vivre, les passages alternatifs de l'intérieur de nos maisons au grand air, l'usage des habillements pris on quittés avec trop peu de précaution, et tous les soins que notre sensualité exessive a tournés en habitudes nécessaires et dont la negligence ou la privation nous coûte ensuite la vie ou la santé[...] en un mot, si vous réunissez les dangers que toutes ces causes assemblent continuellement sur nos têtes, vous sentirez combien la Nature nous fait payer cher le mépris que nous avons fait de ses lecons" (4).
Änlich wie ROUSSEAU sich nicht prinzipiell gegen die Wissenschaften wendet so kritisiert NIETZSCHE nicht die Wissenschaften überhaupt, sondern nur den Verfall der Wissenschaft: "So ein exklusiver Fachgelehrter ist dann dem Fabrikarbeiter ähnlich, der, sein Leben lang, nichts anderes macht als eine bestimmte Schraube oder Handhabe, zu einem bestimmten Werkzeug oder zu einer Maschine, worin er dann freilich eine unglaubliche Virtuosität erlangt. In Deutschland, wo man versteht, auch solchen schmerzlichen Tatsachen einen gloriosen Mantel des Gedankens überzuhängen, bewundert man wohl gar diese enge Fachmäßigkeit unserer Gelehrten und ihre immer weitere Abirrung von der rechten Bildung als ein sittliches Phänomen: die 'Treue im Kleinen', die 'Kärrnertreue' wird zum Prunkthema, die Unbildung jenseits des Fachs wird als Zeichen edler Genügsamkeit zur Schau getragen" (Über die Zukunft II, 1).
Über Rousseau im Zusammenhang mit der Wissenschaft, der modernen Landwirtschaft und Bienenhaltung läßt sich noch vieles sagen (5). Aber wir wollen uns ja nicht den Vorwuf zuziehen, wir würden uns nur mit verstaubten Ansichten beschäftigten, die mit der heutigen Zeit nichts zu tun hätten - daß dies nicht der Fall ist werden wir gleich sehen.
In diesem Zusammenhang fällt mir nämlich eine kleine Geschichte ein von einem Bienenwissenschaftler, der auf seine ureigene Art einen Weg „zurück zur Natur" gefunden zu haben glaubt. Ich wanderte gerade etwas durch meinen Bienengarten, blätterte dabei so ganz in Gedanken im Deutschen Bienenjournal und stoße dort auf einen in vieler Hinsicht interessanten Artikel – Mensch! Sage ich mir, das ist es! „Die Natur als Vorbild" (6). Worum geht es? Um natürliche Bienenhaltung oder gar wesensgemäße Bienenhaltung? wird das Bienenvolk als eine Einheit gesehen, die man nicht gerne stören möchte? Oder was will Herr Schley uns damit sagen? Nichts Dergleichen, wie wir gleich sehen werden. Denn es geht um die instrumentelle Besamung der Bienenkönigin. Sehen wir uns seine Fragestellungen beim Lichte an:
„Warum nur nach einem Schema? Obwohl die instrumentelle oder künstliche Besamung für Bienenköniginnen schon lange als ausgereift angesehen wird, sind immer wieder Änderungen vorgeschlagen und Verbesserungen eingeführt worden. Das trifft sowohl für die Methode an sich als auch für die damit verbundene technische Ausrüstung zu. Als jüngste Neuerung ist der CO2-Durchflußadapter zu nennen. Er wurde jetzt mit Schwebekugeln ausgerüstet und führt zu einer neuen Qualität bei der Narkose" (7).
Hier erfahren wir natürlich alles Andere als verstaubte Ansichten! Hier ist von einer ganz neuen Qualität bei der Narkose von Bienenköniginnen während der künstlichen Besamung die Rede. Das sind ganz andere Dimensionen!
„Das Einführen der Besamungskanüle wurde durch den von mir konzipierten Lochhaken sowie durch den zur Praxisreife entwickelten Stachelgreifer wesentlich erleichtert und stellt kein Problem mehr dar, muss aber anfangs unter fachlicher Anleitung geübt werden" (8).
Gut, daß es ihn gibt, den Herrn Schley, sonst hätten wir jetzt keine „Lochhaken" und „Stachelgreifer". Das versteht sich von selbst, daß „anfangs unter fachlicher Anleitung geübt werden" muß, schließlich ist man ja nicht als Drohn auf die Welt gekommen! Aber ärgerlich ist das schon, diese Paddeligkeit der Möchte-gern-Drohnen:
„Nach den Erfahrungen aus den Besamungskursen bestehen für den Anfänger trotz aller Fortschritte immer noch zwei Schwierigkeiten, nämlich die Spermaaufnahme vom Drohn und die Injektion des Spermas in den Scheidengang der Bienenkönigin" (9).
Wozu eigentlich die ganze Aufregung? Warum läßt man die Dohnen und die Königin nicht alles unter sich ausmachen, noch dazu auf einer schönen Hochzeitsreise? Kurz, man muß unter Lebenden leben und das Wasser unter der Brücke hinfließen lassen, ohne sich darum zu bekümmern, wenigstens ohne sich darum Kummer zu machen.
Aber Herr Schley läßt sich nicht aufhalten, er hat die „Vorbereitung der Königin im Halteröhrchen" (10) im Kopf: „Weltweit wird, was die Platzierung der narkotisierten Königin am Königinnenhalter angeht, grundsätzlich nach dem gleichen Schema vorgegangen: Rechts am Besamungsgerät - vom Besamer aus gesehen - befindet sich der Lochhaken oder Stachelgreifer (greift nach der Rückseite der Königin), links der Ventralhaken (hakt von der Bauchseite)" (11).
Mittlerweile haben wir uns schon sehr weit von der Natur entfernt, dennoch meint Herr Schley, er nehme die Natur als Vorbild: „Auf das Besamungsgerät übertragen bedeutet das, dass das Königinnenhalterröhrchen horizontal um 180 Grad zu drehen ist. Die Rückseite der Königin befindet sich jetzt links. Diese Stellung entspricht der natürlichen Paarung" (12)
Das ist doch Natur pur! Wie aus dem Leben gegriffen! Nun ja, hört sich alles etwas technisch an, aber die Natur ist sein Vorbild und die Richtung stimmt:
„Die Häckchenhalter sind demzufolge wechselseitig unzustecken. Die Stachelkammer der Königin zeigt bereits in die richtige Richtung, nämlich zur Besamungskanüle" (13).
Es ist natürlich völlig klar, daß bei einer derartigen Präzisionsarbeit auf Feinheiten geachtet werden muß, zum Beispiel bei der „Manipulation mit Lochhaken oder Stachelgreifer" (14). Ähnlich wie der Drohn in der Luft, muß man genau überlegen und abwägen: „Wird der Handgriff 2 mm bewegt, reagiert der Lochhaken oder die Druckklemme über der Königin nur 1 mm" (15). – Wir können nur hoffen, daß sich die Drohnen auch so gut auskennen wie Herr Schey. Aber wie soll so ein einfacher Drohn das alles können? Gerade auch wenn mal etwas unvorhergesehenes passiert?
„Der Wechsel der Häkchenhalter hat insofern Konsequenzen, dass der Rechtshänder das Ergreifen des Stachels nunmehr mit der linken Hand auszuführen hat. Kann er sich mit der Veränderung nicht anfreunden, so sollte der Winkel des Halteröhrchens überprüft werden" (16).
Eben, eben, Herr Schley hat sich doch etwas dabei gedacht: „Die Empfehlungen des Röhrchenwinkels wurden aus guten Gründen je nach angewanddter Technik mehrfach geändert. Unter den angegebenen Bedingungen stellt der 70-Grad-Winkel für die herkömmliche Methode die obere Grenze dar. Eine flachere Stellung von 60 Grad wäre vorteilhafter" (17). -- Wahrlich, ich möchte den Drohn sehen, der mit Herrn Schley konkurrieren wollte!
Aber das ist alles noch harmlos gegen all die Gefahren, die versteckt lauern. Man hat zwar alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Königin weitgehend außer Gefecht zu setzen: „Die Königin sollte wie gesagt nicht tief im Röhrchen liegen. Das durch einen o-Ring geführte Halteröhrchen wird so fixiert, dass drei bis vier Hinterleibsringe herausragen" (18). Aber man kann nicht schlau genug sein: „Der Gefahr, dass sich zu klein geratene Königinnen rückwärts durch die größere Öffnung arbeiten, lässt sich dadurch begegnen, dass man sie mit dem Zeigefinger stoppt und kurz abwartet, bis die Narkosewirkung einsetzt" (19).
Kein Drohn würde die Probleme des Herrn Schley verstehen, noch viel weniger den Streit, der um die Frage aller Fragen entbrannt ist: „Spitzenmündung der Besamungskanüle gerade oder abgeschrägt?" (20). Da hier wirklich Dinge von immenser Bedeutung besprochen werden, überlassen wir das Feld den hoch-karätigen Wissenschaftlern (auch Drohnen sind hier nicht zugelassen):
„Neuerdings wird in Großbritannien darüber diskutiert, inwieweit abgeschrägte Kanülenspitzen entsprechend ihren Vorbildern aus der Medizin Vorteile bieten. Das Zuspitzen bringt keinen Gewinn und erhöht eher das Verletzungsrisiko" (21).
Was Herrn Schley zu guter Letzt besonders am Herzen liegt: „Zusammengefaßt ist festzustellen, dass es auch bei bewährten Methoden keinen Stillstand und keine starren Regeln gibt. Das Besamungsgerät ist so konstruiert, dass es viele Einstellungsmöglichkeiten bietet" (22).
Als ich diese Probleme und Streitereien meinem Hamburger Freund erzählte, sagte er: Findet man mehr Gewäsch im Schnickschnack der Heringsverkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt als in den öffentlichen Diskussionen der Herren von dieser Profession?
Ich für meinen Teil halte mich an das wozu
wir geboren sind, daß wir die Wahrheit suchen sollen (23); sie zu
besitzen, ist das Befugnis einer höheren Macht. Die Welt ist nur eine
Schule des Nachforschens. Nicht, daß jemand etwas hineinlegen könne,
sondern darauf kommt es an, wer daraus am meisten erhascht.
________________
*) Nähere Informationen
und Bezugsquellen für echten deutschen Wabenhonig (nicht wärmebehandelt),
Honig aus Naturwabenbau (Tropfhonig - weder geschleudert und gerührt
noch erhitzt vor der Abfüllung), Propolis, Gelée Royale, Bienenbrot
sowie rückstandsfreies Bienenwachs von Naturbauwaben, Bienenwachsknete
zum plastizieren und massieren:Produktliste
Zentrum
für wesensgemäße Bienenhaltung.
**)
Bio-Imker, auch Imker von Mellifera e. V., Beegood oder Demeter arbeiten
nach dem üblichen System mit Rähmchen, Mittelwänden, Magazinen
und Zuckerfütterung, weshalb ihre Bienenhaltung somit nicht unbedingt
als wesensgemäß bezeichnet werden kann. Wer diese tradiertes
System nicht weiter unterstützen will, sollte sich als Anfänger
anmelden für die:Kurse
zur wesensgemäßen Bienenhaltung in Oberträgerbeuten (Top-bar-hives)
ohne
Rähmchen oder künstliche Wabenteile
1. Thiele, M. 2002: Natur
und Kunst; und T+T Consult 2002: Internet Kurs #20 Bad Sooden, Deutschland.
2. Jean-Jacques ROUSSEAU (1712
- 1778): Oeuvres complètes, OC III: 109, Discours sur l'origine;
édition publiée sous la direction de Bernard Gagnebin et
Marcel Raymond, Gallimard, Bibliotheque de la Pléiade, Paris, Bd
I-IV, 1959-69.
3. Ibid, OC III: 109.
4. Ibid, Discours sur l'origine,
note IX
5. Internet Seminar zu Thema: Goethe,
Rousseau und die moderne Naturwissenschaft.
6. Schley, P., 2002: Instrumentelle
Besamung: Warum nur nach einem Schema? Deutsches Bienenjournal 10 (2):
54-55. Berlin, Germany.
7. Ibid.
8. Ibid.
9. Ibid.
10. Ibid.
11. Ibid.
12. Ibid.
13. Ibid.
14. Ibid.
15. Ibid.
16. Ibid.
17. Ibid.
18. Ibid.
19. Ibid.
20. Ibid.
21. Ibid.
22. Ibid.
23. Zur praktischen Seite; wie
sieht es beim Honig aus? Heutzutage findet man auf dem Honigglas in der
Regel nur allgemeine Floskeln, aber daß man es zum Beispiel mit einem
Vertreter des „Zurück zur Natur" im Sinne von Herrn Schley zu tun
hat, wird wohlweislich verschwiegen. Die Imkervereine verfahren hier nicht
anders als die Bio-Verbände, die sich im BÖLW zusammengeschlossen
haben, nachdem sie die alte Dachorganisation (AGÖL) aufgelöst
hatten. Der Nitrofenskandal machte eben einige Namensänderungen und
Umgruppierungen erforderlich. Das täuscht aber nicht darüber
hinweg, daß EU-Inspekteure wie BCS-Ökogarantie und Bio-Verbände
wie Naturland, Bioland und Gäa die künstliche Besamung der Bienenkönigin
zulassen und die entsprechend zertifizierten Honige bei Alnatura, Tegut,
den Naturkostläden und Reformhäusern verkauft werden. *) **)
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